Die Verhandlung

Für alle ab 13 Jahren
Dauer: ca. 2h 30min

Konzept & Performance: Ossian Hain, Anne Mahlow, Arthur Romanowski, Anja Schneidereit
Produktionsleitung & Ausstattung: Anja Schneidereit
Sound: Rupert Jaud
Outside Eye: Anne Kapsner
Assistenz: Özlem Türkan
Mit Dank an: Philipp Kehder

Überraschend, wie viele Metaebenen sich dabei ergeben. Mehr noch als über Gerichte lernt man etwas über Theater. Was der Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann „Einbruch des Realen“ nennt, wird selten so greifbar wie hier. Die eigentliche Sensation ist dabei nicht das theatral geframte Reale des Gerichts selbst, sondern was sich darum herum abspielt. Hier löst sich etwas ein, was Theater immer verspricht: das Potenzial des Unvorhergesehenen; dass jederzeit etwas passieren kann; eine Unkalkulierbarkeit, die es so unmittelbar nur im Theater zu erleben gibt. Die dafür wesentliche Qualität der Unentscheidbarkeit darüber, was real und was fiktiv ist, wird hier kultiviert – und zum zentralen Thrill. Diese beinahe körperlich spürbare Ambiguität, die als ästhetisches Mittel so alt ist wie das Theater selbst, zeigt, wie aufregend Theater sein kann, auch ganz ohne Guckkasten.

Die deutsche Bühne, September 2021

Mit dem Förderpreis ehrt die Jury die Gruppe „imaginary company“: [Der Gruppe] ist mir ihrer Performance ‚Die Verhandlung‘ vor und im Frankfurter Oberlandesgericht eine Besonderheit gelungen: Politisches Theater für alle von etwa 13 Jahren an. Schon in der analog und digital erfolgreichen Performance ‚Schulausflug‘ (2019) hat die seit 2017/18 in wechselnden Formationen tätige Gruppe eine eigene Handschrift entwickelt, die mit theatralen Methoden Ordnungsstrukturen der Gesellschaft befragt. Auf kluge Weise wird ein System in den Mittelpunkt eines partizipativen Performanceprojektes gestellt, das als Institution jeden betrifft, aber kaum hinterfragt wird. Nach dem System Schule in ‚Schulausflug‘ ist nun das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland Gegenstand einer theatralen Untersuchung, die jede und jeden in der Zuschauergruppe in die grundlegenden Fragen unseres Rechtsstaats, von Justiz bis Gerechtigkeit, einbezieht.“lt.

Aus der Begründung für die Verleihung des KARFUNKEL Förderpreises der Stadt Frankfurt 2022 

Die Verhandlung – Ein partizipativer Walk durchs Oberlandesgericht

Wir nehmen auf den Stühlen in der ersten Reihe Platz. Wir applaudieren nicht, wir schauen aufmerksam zu: Wir bezeugen alles. Jedes Detail ist wichtig, alles steht zur Verhandlung und irgendwann wird ein Urteil gefällt. Fällt es im Namen des Volkes? Oder vielleicht im Namen des Publikums? Wie führt sich das Recht auf? Und welche Rolle spiele ich hier? Bin ich als Zeug*in geladen – und wem werde ich berichten? Die Verhandlung endet und “Die Verhandlung” beginnt. imaginary company will verhandeln und lädt vor: Nimm dein Recht wahr, dich am Recht zu beteiligen! Beobachte mit! Bezeuge mit!

In der partizipatorischen Versuchsanordnung “Die Verhandlung” wird ein Gerichtsgebäude zur Protagonistin der Aufführung. Ein altersgemischtes Publikum sieht eine Performance im öffentlichen Raum, und wird in deren Verlauf in einen anderen öffentlichen Raum – das Gericht – geladen. Nur geleitet von einem Ordner mit Textanweisungen erkunden die Teilnehmenden die Gänge und Abläufe der Institution und besuchen eine laufende Gerichtsverhandlung. Im dritten Teil der Performance, “Die Verhandlung der Verhandlung”, übernimmt das Publikum selbst die Rolle von Urteilenden – es kreiert Tonaufnahmen mit Prozessbeobachtungen und setzt in einem theatralen Gesprächsformat aus verschiedenen Perspektiven ein Portrait des Gerichts und seiner Prozesse zusammen.

Das Gericht wird in “Die Verhandlung” zur sozialen Plastik, zu einem Ort lebendiger Auseinandersetzung. Welche Position wird es darin einnehmen? Wie lässt sich Prozessbeobachtung als kritische Praxis einüben?

Die Produktion entstand mit Projektmitteln der Stadt Frankfurt, des Landes Hessen, des Fonds Darstellende Künste und in Kooperation mit dem Künstlerhaus Mousonturm.